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Dr. Rainer Bessling    > Haarwurzel und Hinterland - artist Kunstmagazin/ Ausgabe Nr.88


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Viola Vahrson
„Wirklichkeit suchst Du also“ - Zu den Videoarbeiten von Franziska C. Metzger

 

„Und manches was ich erfahren,
verkocht’ in stiller Wut,
und kam ich wieder zu singen,
war alles, alles auch wieder gut.“

Weder der gewissenhaft sezierende Blick noch der distanzhaltende Überblick sind geeignete Perspektiven, um die Videoarbeiten von Franziska C. Metzger zu erschließen. Vielmehr sollte man es dem verliebten Paar im Klinikfilm (2010) gleichtun und sich mit der Strömung treiben lassen, dem Fluss der Bilder, Worte und Klänge folgen und mit jedem Ruderschlag genüsslich in die tiefsinnigen Banalitäten, die alltäglichen Katastrophen und die zwischenmenschlichen Abgründe eintauchen, Szene für Szene, noch einmal und noch einmal und noch einmal.
Dass sich dieser Bewegungsfluss letztlich zu einem Kreis zusammenschließt, resultiert aus einer der Hauptaussagen der Filme: Alles ist Wiederholung. Entsprechend folgen die stets aus mehreren Szenen zusammengefügten Videos keiner stringenten Handlung, es sind vielmehr vage Themenfelder, Anschauungen, Befindlichkeiten, Zustandsbeschreibungen, die von einer assoziativen Logik zusammengehalten werden. Mikro- und Makrokosmos, dem Großen wie dem Kleinen wird die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt, das Alte behauptet sich als ‘Ewig Währendes’ gegenüber dem Jungen, das sprießt und austritt, mit seinen Begierden ringt, bis sich Zweifel und Ängste, durch wiederkäuende Wiederholungen zu einem lustvollen Reigen verbinden. Die nackte Realität sucht stets die Nähe des Rausches, hüllt sich in dessen Indifferenz, aber zerrt auch an ihr, um sich schließlich wieder frei zu schlagen.

Das Gespinst der Wirklichkeit, das die Künstlerin in ihren Videos entwirft ist von einer verfeinerten Symbolik und prachtvoll verspielten Formensprache geprägt. Das zentrale Stilmittel, das alle Ebenen und Bereiche durchdringt und miteinander verbindet ist die Groteske. Sie findet in der Struktur ebenso Ausdruck wie in der Sprache, den Themen, Szenerien, Kostümen und den Verhaltensweisen der Figuren, die allesamt liebevoll überzeichnet sind.
Die Verseltsamung der Sprache, deren Gestaltung den gleichen Stellenwert hat wie die bildliche Ebene, entsteht aus einer komplexen Verkoppelung struktureller und inhaltlicher Ebenen. Alle Filme sind von einer maßlosen Fülle an Informationen, einem endlosen Fluss sprachlicher Materialien geprägt, der alle Genre, Quellen und Sprachformen miteinander vermengt: Nachrichtenfragmente vermischen sich mit Handlungsanweisungen, Literaturzitate und Teile wissenschaftlicher Abhandlungen mit trivialen Äußerungen, raffinierte und tiefsinnige Betrachtungen mit insignifikanten Ausbrüchen, ausschweifende Phrasen mit prägnanten Formeln. Sätze beginnen beliebig, brechen ebenso abrupt ab, um weitere Versatzstücke folgen zu lassen. Und doch bilden diese Bruchstücke keine scharfen Kanten aus, statt sich zu isolieren scheinen sich die Sätze an einzelnen Worten aufzuspalten, neue Verknüpfungen zu schließen, um ein zwar wucherndes und doch rhythmisches Ganzes zu bilden, eine skurrile Gemeinschaft, die im Spiel ihren Ernst sucht. Mit der Zeit jedoch verklumpen die Informationen unweigerlich zu einer indifferenten Masse. Dabei verweist die Sprache beständig auf ihren eigenen Zustand: Es ist vom Rauschen, vom Reigen und von Schleifen, von Tropfen, vom Fluss und von Strömungen die Rede, auch Wein und Schnaps fließt in die Gläser, von dort aus in die Kehle usw., Autos ziehen Fäden auf der Schnellstrecke; Rolltreppen, Bäche, Sternschnuppen, Bildstörungen, alles fließt, stürzt oder wird auch mal niedergestreckt.

Während Videoarbeiten wie Hörstück (2009), Na da stoß ma drauf an, (2008) oder Der Klinikfilm (2010) diesem Fluss folgen und ihn gleichsam erzeugen, scheint der Informationsexzess in der Videoarbeit Vier Monitore an die Grenzen seiner Ausdehnung gelangt zu sein. Der persönliche Kollaps ist ebenso präsent, wie die medial inszenierte Katastrophe. Doch die verzweifelten Forderungen: „Schalt’s ab. [...] Schalt das verteufelte Ding endliche ab!“ bleiben wirkungslos: „Es geht nicht. Es fängt immer wieder damit an.“ Selbst die Warnung „Wenn’s jetzt nicht abstellst wird’s einen supernovalen Kurzschluss geben“ führt nur zu einer kurzzeitigen Erleichterung. Das Abstreifen aller zivilisatorischen Accessoires, die Flucht ins Unterholz und die finale burleske Abfuhr, die lautmalerisch unterstrichen wird, öffnet ein Schlupfloch, das jedoch sogleich wieder mit dem Bedürfnis nach Sammlung durch Zerstreuung verstopft wird. Der eruptive Einbruch grotesker Körperlichkeit stellt die einzige Möglichkeit dar, den gesellschaftlichen Druck für einen Moment entweichen zu lassen. Die parodistische Entfesselung menschlicher Bedürfnisse findet ihren Ort allein in der (widerständigen) Natur. Das Auto muss verlassen, die Kleidung abgelegt sein, der dunkle Wald die Protagonisten umfangen haben, damit die Selbstentfremdung für einen Moment unterbrochen wird. Eine grundlegende Lösung bietet dieser Ort keineswegs. Das wird nicht nur durch den ruppigen Umgang mit der Natur veranschaulicht: „Der Stamm blockiert!“ – „Dann säg ihn ab“, sondern zeichnet sich bereits durch die Konstruktion der Videoarbeit ab, die aus vier Monitoren besteht, auf denen simultan verschiedene Szenerien abgespielt werden. Neben den beiden Autoinsassen, die im mobilisierten Bewegungsstrom Radiowellen einfangen oder abzublocken versuchen, ist auf einem weiteren Monitor ein Kellerraum zu sehen in dem eine Person vor mehreren Monitoren sitzt, die alle verschiedene Autobahnabschnitte zeigen auf denen unentwegt Autos dahin rasen – aus dem Nichts kommend, in einen leeren Horizont fahrend. Ein weiterer Gedankenstrom entspinnt sich auf dem dritten Monitor zwischen einer jungen Frau und einer gebrechlichen, jedoch geistig äußerst agilen Alten. Nur der vierte Monitor schweigt nahezu, in dunkle Nacht getaucht, die Quelle des gemeinschaftlichen Sinnierens abbildend, das Lagerfeuer. Der Dauereinsatz der Sprache, der Begrenzung durch Überfülle symbolisiert, wird auf der bildlichen Ebene durch zahlreiche rätselhafte Objekte und kulissenhafte Umgebungen flankiert, die ebenfalls auf das Einengende und Begrenzende gesellschaftlicher Zustände und Handlungen verweisen. Begrenzung ist jedoch nicht nur negativ konnotiert, sondern bedeutet in gleichem Maße Orientierung, Schutz und Gemeinschaft. So spielen beinahe alle Szenen entweder in der Natur oder in Behelfsunterkünften, insbesondere Hütten, Lauben, Zelten, aber auch das Auto und selbst das Boot sind temporäre Aufenthaltsräume. Die Einfachheit dieser Einzeller schafft Übersicht und stiftet Mut vom Kleinen aus das Große anzugehen oder zumindest darüber zu debattieren: wie z.B. über die Liebe, das Dasein, das Universum oder die Zukunft. Den verschiedenartigen Schutzräumen wird die Offenheit der Natur (Wald, Wiesen, Bäche und Flüsse) zur Seite gestellt, die jedoch nicht als bedrohlich inszeniert wird, sondern in den überschaubaren Bereich der Heimat eingebettet ist. Heimat drückt sich in den Filmen von Franziska C. Metzger als gesellschaftliches Gefüge mit überschaubaren Verhältnissen aus, als räumlich-landschaftliches Milieu in dem der Fremde noch als solcher erkannt wird (Na da stoß ma drauf an, 2008). Der mobile gesellschaftliche Fluss wird in diesem Milieu aus Gewohnheiten und bodenständigen Ritualen, wie etwa dem Kneipengang, ausgebremst. Es findet sich Raum und Zeit für Randständiges. Natürlich herrscht auch hier eine feine Ironie vor. Das Klischee der Idylle, der Einfachheit und des Fluchtraums Heimat dienen als stark überzeichnetes Stilmittel, als Folie skurriler Gestalten, die keineswegs so harmlos sind, wie sie sich selbst erscheinen (z.B. Dr. Inge, Herr B.).
Durch die Verwendung verschiedener Dialektsprachen werden die vermeintlich charakteristischen Topographien in eine spezifische Daseinsform übersetzt, die auf gemeinschaftliche Wertmaßstäbe verweist. Die typischen Konnotationen der Mundart wie auch der mit ihr in ständigem Wechsel befindlichen Hochsprache, werden zugleich jedoch durch verfremdete Stimmhöhen oder stilisierte Ausdrucksformen konterkariert. So wechseln derbe volkstümliche Klangfarben mit gestelzten Redewendungen, die in altertümelnder Weise ungeschickt vorgetragen werden, Männerstimmen sind überzogen süßlich, weich oder gestelzt zum Teil auch technisch manipuliert. Auch die Frauenstimmen sind erstaunlich vielfältig, insbesondere die von Franziska C. Metzger selbst: sie ist sachlich, fest und zielstrebig oder kindlich verträumt, launisch, grell oder zierlich. All diese Klangfarben finden entweder auf der Ebenen einer weiteren Tonspur ob Klassik, Country oder experimentelle Musik und in den selbstkomponierten Liedern Entsprechung. Letztere sind Teil der Handlung und reichen vom sperrigen Rock Song, über die Kindermelodie bis zum munteren Märchen- oder Volkslied. Der Text der Lieder ergibt selten eine konsistente Bedeutung, vielmehr ist auch hier der Sinn einzelnen Textfragmenten zu entnehmen. Sprache wird in den Videoarbeiten von Franziska C. Metzger als Mittel der Verfremdung eingesetzt, so wird die gleiche Stimme verschiedenen, sowohl männlichen als auch weiblichen Figuren sowie dem Erzähler zugeordnet. Bild und Ton sind dabei nicht ganz synchron, so dass ein dilettantischer Effekt entsteht, der durch die camphafte Kostümierung der Protagonisten (z.B. Perücken, schlechtsitzende Kleidung, Männer in Frauenkleidern, übertriebene Schminke) ergänzt wird. Bewirken die Verschiebung des Tons und die stilisierte Ausstattung auf der einen Seite eine überzogene Künstlichkeit, so wird damit zugleich die Nivellierung normativer Gegensätze verfolgt. Die verschiedenen Personen und Geschlechter sind nicht immer klar voneinander zu trennen, Kategorien lösen sich auf, Tiere und Dinge werden vermenschlicht, Menschen verdinglicht. Auch den agierenden Personen scheint nicht klar zu sein, wer sie sind, wem sie gehören (Herr B.) und vor allem was ihr Double gerade denkt und macht. Auch die Sprache bringt trotz ihres unaufhörlichen Flusses keine Klärung, alles bleibt im Vagen. Und wenn die Dinge zu verworren und unübersichtlich geraten, wird ein Lied angestimmt. Letztlich scheint der Frohsinn über alle Zweifel und Melancholie zu siegen, nach dem Motto: „Scheitern, ach, kann man doch gar nicht. Legst dich hin, stehst wieder auf.“

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Rainer Bessling
Haarwurzel und Hinterland

„Anakoluth“ heißt Franziska Metzgers jüngste Arbeit. Eine Art Wärterhäuschen mit Backsteinoptik und Fensterleiste, passend zur Gleishalle im Güterbahnhof, dem Schauplatz des Bremer Kunstfrühlings 2011. Perspektivisch verzerrt, proportional verschoben, steht die prekäre Konstruktion auf einem unzugänglichen Bahnsteig-Relikt, mehr Comic als Architektur, mehr Fassade als Raum. Eine schwankende Holzbrücke, flankiert von repräsentativen Parkleuchten, bietet ironisch Zugang an. Sounds und Videobilder umspielen den Kunstraum als subtile Antwort auf den Ausstellungsort und befördern ihn zu einer irrlichternden Hülle für allerlei Projektionen.

„Anakoluth“ ist ein Begriff zur Beschreibung sprachlicher Phänomene. Er meint Brüche und Ausbrüche im Satz, Umstiege und Ausstiege. Formulierungen folgen dabei Gedanken und Mitteilungen, die nicht immer in der Spur bleiben, die von anderen Ideen gekreuzt oder überholt werden, die also eigentlich eines Stellwerks bedürfen. Doch in der technisch und rhetorisch korrekten Ordnung verblassen nicht selten Ursprung und Originalität. So kann Sprache auch als Schienenphänomen, als Transport- und Logistikproblem, begriffen werden. Syntax spiegelt sich in Architektur, im Wegenetz dürfen das individuelle Empfinden und das subjektive Einstiegsgefühl nicht den Anschluss verlieren.

Die brüchige Stellwerk-Statik mit ihrem Fassadencharakter und die sprachliche Referenz führen zu Grundzügen im Werk der in Berlin lebenden Künstlerin. Text, Video, Musik, Klang, Objekt, Installation und Raum durchdringen sich in den Arbeiten von Franziska Metzger zu einem ebenso unauflöslichen wie dauerhaft reibungsvollen Geflecht. Hütten, Buden, Butzen und Lauben bilden Gehäuse für filmische Szenen und poetisch-philosophische Texte mit irritierenden Stil-Sprüngen. Die verschobenen Maßstäbe und die Risse in den Raumcollagen entsprechen verschrobenen Wirklichkeiten in Bild und Sprache.

In ihrer Installation „gedankliches Hinterlandseck“ lässt Franziska Metzger den Betrachter auf einem alten, bedrohlich heimeligen Polstersessel mit Korbgeflecht Platz nehmen. Auf dem in eine dunkle Bretterwand eingelassenen Monitor läuft ein Video: „Na, da stoß man drauf an“. Der Film beginnt in einer ländlichen Kneipe. Es läuft Country-Musik, Männer in Western-Dress plaudern am Tresen über die vermeintlichen Reize und den geheimnisvollen Zauber der Gegend. Ein Trio an einem Tisch mit karierter Decke verhandelt Bier und Schnaps trinkend Tipps zur Lebensführung. Die Künstlerin selbst in Bohème-Montur tritt auf und befragt ihr Gegenüber zur literarischen Kunstfertigkeit: „Was macht für dich eine gute Erzählung aus?“ „Eine gute Erzählung muss aus der Haarwurzel kommen, und der Rhythmus muss stimmen.“ „Denkst du denn, eine Geschichte braucht eine außergewöhnliche Begebenheit?“ Die Frage bleibt im Raum stehen, in dem eine gruselige Gewöhnlichkeit herrschte. Schwenk zum Trio am Tisch, Gläser und Flaschen werden gehoben, einem einsamen Gast am Nachbartisch zugenickt, der mit melancholischem Blick in den Bierkrug sagt: „Das Eigentliche, das mich antreibt, entgleitet mir ständig.“ „Na, ich werd‘ mal ein paar Bekanntschaften knüpfen gehen“, verabschiedet sich eine Frau von ihren Tischgenossen.

Häufig schälen sich in Franziska Metzgers Texten solche Sätze aus Gesprächsfloskeln und Selbstgesprächen heraus. In bewusster Stilisierung, in einer kunstvollen Wendung zur gesprochenes Alltagssyntax mit Dialektanteilen, tritt das Denken pointiert naiv und mit einer eigenen Poesie, einem eigenen Klang und Rhythmus auf.

Das dunkle Ambiente im gedanklichen Hinterland verweist auf das bevorzugte Kolorit der Künstlerin. Schon als Kind habe sie die Nacht so gern gehabt, lässt sie eine ihrer Alter- Ego-Figuren sagen. In die Sonne könne man nicht hineingucken, in die Nacht schon. Den hellgrünen Polstersessel im „Hinterlandseck“ flankiert an einer Seite ein schwarzer Holzparavent. Bäuerliche Figuren sind dort hineingeschnitzt, ein Trommler dazu und Sprechblasen. In einer heißt es: „S‘ist fast so, würd ich meinen, dass der Tag ein Spezial, ein Spezi von der Nacht ist. Da kann man nicht über unsere Erde hinausdenken, die ist zu hell und zu warm dann. In der Nacht dagegen, da ist es eher wie überall im All, weil man sich da mehr zum Universum gerückt fühlt. Und man fürchtet sich auch ein wenig darüber.“ Erkenntnis und Furcht, der Schauer in der Behaglichkeit, auch dies spannungsvolle Paarungen in der Kunst der gebürtigen Münchnerin.

Die Nachtseite als Sinnbild für das Triebhafte und Animalische, als Gegenpol zur erhellenden Vernunft, der Wald als Naturrelikt und Kontrapunkt zur Zivilisation mit ihrem festen Regelwerk, das sind bevorzugte Szenen und Orte, an die Franziska Metzger ihr Publikum führt. In zwei Skulpturen lässt sie Tierisches in lässiger menschlicher Pose auftreten, so als würden Affe und Pferd der vermeintlich höher entwickelten Spezies höhnisch einen Spiegel vorhalten. Aus einer grobschlächtig gebauten „Heimorgel“ vermeint der Betrachter archaische Klänge zu hören, weniger Himmelstöne als dunkle Erdschwingungen.

Verschiedene Stipendien haben die Künstlerin in die Provinz geführt. Sie verarbeitet Erscheinungsbilder der Region in ihren Filmen und bringt sich dabei selbst mit ins Spiel. Erinnerungsfetzen an die Kindheit verweben sich mit Beobachtungen vor Ort, mit Lektürefunden und eigenen Texten. Wunderbare Lieder gehören dazu, lyrisch und skurril, sinnlich und versponnen, wie überhaupt die häufig selbst gesampelte oder geschriebene Musik eine gewichtige Rolle in der Arbeit Franziska Metzgers spielt. In ihrem „Pfälzer Videoloop“ collagiert die Künstlern Szenen, Couplets und Fragmente zum Thema Anerkennung aus Werner Schwabs „Der Dreck und das Gute, das Gute und der Dreck“.
Dass sie Schwab zitiert, darf als Hinweis aufgefasst werden, dass sie den Sprachfindungen des Österreichers nahesteht. Ihr Sound ist von durchaus vergleichbarer Originalität: „In der Besinnung kannst du dir neue Gedanken erfinden und sie mit denen verhäkeln, die dir schon so lange die Seele beekeln, dann kommt etwas anderes dabei heraus und der Ekel bekommt einstweilen einen Aufschub. Geh, sei doch nicht immer so negativ, die Welt ist doch ein schöner Ort zum sein. Der Ekel ist dagegen doch gar nichts Großes. Schau, dahinten kommt die Annelies und kann dir etwas Freundliches erzählen. Einen Gang hat sie, als hätt man ihr Flüargerl an die Schuhe gebunden. Ein schöner Mensch ist das.“

Immer wieder begegnet man in Franziska Metzgers Filmen grotesken Situationen und Gedankenflügen auf provinziellen Bühnen und vor Naturkulissen, in Schenken und an Lagerfeuern. Die Künstlerin überträgt ihre Lektürefunde einem schrägen, artifiziell alltäglichen Personal, bedient Klischees und entlarvt sie zugleich, zeigt Abgründe im Vordergründigen. Eingelassen in grob gebastelte, stets mitsprechende, als eigene Akteure auftretende Räume mit ländlichem Charme, gewinnen Reflexionen über das All und das Nichts, über das Leben und die Kunst, über Liebe und Zukunft eine bedrängende und zugleich anziehende Körperlichkeit. Die Sprache richtet sich in Räumen ein, das Ich in der Sprache. Die gedanklichen Höhenflüge reiben sich an erdverwurzelter Körperlichkeit, Gedanken an Empfindungen und Erfahrungen. Verstehensanfänge werden inszeniert, gegenüber geschlossenen Analysen herrscht Skepsis. Je mehr Häuslichkeit aus einer Szenerie mit metaphysischem Überbau spricht, desto befremdlicher und abgründiger erscheint diese Wohnwelt von Leib und Kopf.

In der Installation „Seelengrube“ pflanzen „country-musikalische Ein- und Aussetzer“ und Geräusche eine vertraute und zugleich unwirkliche Raumatmosphäre in eine äußerst prekäre Architektur. Bespannte und bemalte Lattenkonstruktionen deuten eine Wohn- oder Kneipensituation an, das Interieur ist meisterhaft schlecht gebastelt, Objekte und Malerei gleiten ineinander, eine passende Kulisse für Gedanken über die Macht des Rausches: „...das ist es nämlich, was mir an einem Suff schon oft aufgefallen ist: dass eine Leere von innen her aufsteigt und sich über die eigenen Körpergrenzen hinaus ausdehnt, in diese Kneipe hinein, nicht Halt machend, weiter schwebt sie in die Nacht hinaus und dann in das Weltall... Im Gegenzug verdichtet sich in einem der Eigenmensch bis zu einer Undenkbarkeit - man hat schon fast kein Besitzrecht mehr auf ihn.“

Die Provinz legt aber nicht nur tiefgründige Gedanken und abgründige Seelenlagen offen, hier landen neben anderen Kopfgeburten auch Meisterleistungen der Wissenschaft und Technik hart. Im „Hinterlandseck“ wird in der Paraventschnitzerei auch die unbefriedigende Analyse des Nichts verhandelt, und der Trommler frohlockt: „Das freut mich immer, wenn Theorien über den Haufen geworfen werden.“ In der Rauminstallation „Scheune“ streckt ein hölzerner Satellit die Flügel, und ein erhaben beleuchteter Korridor führt eher ironisch zu einer Holzrakete. Die Klangcollage „Der Mondloop“ macht aus der Weltraumexpedition eine absurde Eroberungsschleife mit zahlreichen Störungen zwischen Himmel und All und zweifelhaftem Nutzwert.

Neben installativen Anspielungen an die mehr oder weniger feste Holzarchitektur der Provinz wählt die Künstlerin als mitsprechende Bühnen für ihre filmischen Inszenierungen mobile Unterkünfte. In ihrem Beitrag für den ersten Paula Modersohn-Becker Preis spielte sie ihren „Klinikfilm“ in einem Zelt ab. Figuren und Szenen im Film entsprechend - einem Paar auf einer Flusspartie, zwei Frauen im philosophischen Plausch zwischen Flughafen und Wald -, ist hier die temporäre Unterkunft von Nomaden zwischen Stadt und Land gewählt. An anderer Stelle stellte sie ihr „Hörstück“ in einen „Campingwagen“, ein fragiles Bastelobjekt aus Lattengerüst und Papierbahnen.

Wenig ist sicher in dieser Kunstwelt, Figuren und Gedanken sind permanent auf dem Weg, Land und Stadt, Kunst und Wirklichkeit, Theorie und Praxis, Natur und Kultur, hoher Ton und Alltagssprache, freundschaftliche Annäherung und Aggression kommen sich in die Quere. Alles ist in schönster Bewegung, permanent Einstieg, Umstieg, Ausstieg.

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